CLS ON: Der Missing Link zwischen Netz- und Messstellenbetrieb

Die Energiewelt der Zukunft ist regenerativ und dezentral. Dabei sind sichere Datenströme und verlässliche Steuerung in Echtzeit unverzichtbar, um die Infrastruktur zu beherrschen und die Netze im Gleichgewicht zu halten. Energieunternehmen in ganz Deutschland müssen dafür neue Kompetenzen, Systeme und Prozesse aufbauen. In einem gemeinsamen Projekt bauen EWE NETZ, RheinEnergie AG und Westfalen Weser Netz mit ihrem Smart Meter Gateway-Administrator GWAdriga mit CLS ON eine Plattform auf, die auf die speziellen Bedarfe der Verteilnetz- und Messtellenbetreiber zugeschnitten ist.

Dieser Artikel ist in den energiewirtschaftlichen Tagesfragen et 01/202 erschienen – hier finden Sie das PDF
Autoren: Martin Kloppenburg, Westfalen Weser Netz, Dr. Tanja Koch, EWE NETZ, Marco Leuf, RheinEnergie, Dr. Roland Olbrich, Horizonte Group, Dr. Michał Sobótka, GWAdriga

Schalten & Steuern: Bislang ist dies weitestgehend auf die Netzebene der Mittelspannung beschränkt, in der Verteilnetzbetreiber (VNB) große Anlagen wie beispielweise Windparks über eigene Fernwirk- und Übertragungstechnik schalten, d.h. ohne Einbindung eines Messstellenbetreibers. In der Niederspannung, also bei Haushaltkunden und kleineren Gewerbe, schalten Verteilnetzbetreiber (VNB) bislang nur im geringen Umfang dort installierte Nachtspeicherheizungen, Wärmepumpen oder vergleichbare Kleinstanlagen.

Die extrem steigende Zunahme Anzahl flexibler Erzeuger und Verbraucher in der Niederspannung – insbesondere Ladesäulen und PV-Anlagen – verändert grundlegend die Strukturen und damit die Anforderungen an Verteilnetzbetreiber: Bis 2030 werden mindestens 9 Millionen dieser schaltbaren Anlagen erwartet. Um die Niederspannungsnetze vor Überlastung zu schützen und einen entsprechenden Netzausbau zu vermeiden, werden zukünftig Flexibilitäten in der Niederspannung gezielt gesteuert werden müssen. Glücklicherweise existiert mit dem intelligenten Messsystem (iMSys) und der daran anschließbaren Steuereinheit nun eine technische Lösung, die es ermöglicht, Schalthandlungen über die vom BSI freigegebene „sichere Datenkommunikation“ auszulösen.

Die tatsächliche Realisierung ist aber wegen fehlender Marktvorgaben eine große individuelle Herausforderung: Um einen Schaltbefehl eines Netzbetreibers zu einer dezentralen Steuereinheit zu senden (und das gemessene Ergebnis zurückzuspielen), müssen Prozesse, Systeme und das Zusammenspiel zwischen den Marktrollen VNB und MSB neu konzipiert und implementiert werden. Dies umzusetzen ist der Auftrag des Projektes CLS ON: Gemeinsam mit seinen Gesellschaftern und Kunden EWE NETZ, RheinEnergie, und Westfalen Weser Netz will GWAdriga als Full-Service-Anbieter für Gateway-Management, Messdaten-Management und weitere Mehrwertdienste eine entsprechende Lösung konzipieren und implementieren.

Projektbeschreibung

Die in CLS ON projektierte Lösung sieht eine zweistufige Architektur aus „CLS-Bridge“ und „CLS-System“ vor. Die CLS-Bridge ist gewissermaßen das arbeitsvorbereitende System und bietet den Verteilnetzbetreibern eine hochaggregierte Sicht auf alle wesentlichen Daten und den aktuellen Netzzustand. Notwendige Schaltanforderungen an einzelne Niederspannungsnetze oder Gruppen von Flexibiliäten werden dann in der Bridge in Einzelschaltanforderungen aufgelöst. Dazu ist die CLS-Bridge an datenliefernde Systeme beim VNB wie etwa die GIS-Systeme mit der Netztopologie angeschlossen.

Das CLS-System – das im Fall von CLS ON von GWAdriga im Full-Service als Prozessdienstleistung erbracht wird – nimmt die Einzelschaltanforderungen der Bridge auf und wandelt diese in für Steuerboxen interpretierbare Schaltanforderungen um. Zusätzlich empfängt es Messwerte über den Netzzustand in der Niederspannung und leitet diese an die CLS-Bridge zurück. Darüber hinaus sind im CLS-System auch grundlegende administrative Funktionen wie die Parametrisierung der Steuereinheiten oder die aEMT-Kanalverwaltung angesiedelt. Das CLS-System muss dazu natürlich an stammdatenführende Systeme des VNB und MSB angebunden sein.

Ein besonderes Augenmerk bei der Konzeption liegt auf der IT-Sicherheit. Denn traditionell ist die Schaltzentrale der Netzbetreiber strikt von externen Netzen getrennt, um so Zugriffe auf ein Herzstück der kritischen Infrastrukturen zu verhindern und damit den Anforderungen von KRITIS zu genügen. Mit Blick auf eine Steuerung der Niederspannung kann die Schaltzentrale der Verteilnetzbetreiber ein klassisches Leitsystem, ein abgesetztes Leitsystem für die Niederspannung oder ein schlankes Niederspannungs-Cockpit sein. In der im Rahmen von CLS ON implementierten Lösung wird daher ein eigener Security-Proxy sowie eine Instanz-Struktur die Integrität der Schaltzentralen gewährleisten – selbst, wenn ein Dienstleister wie GWAdriga künftig über die CLS-Lösung hunderttausende von Steuereinheiten oder auch marktliche Anwendungsfälle abwickelt. Die hohen KRITIS-Anforderungen müssen dabei nicht von Beginn an – wenn erst wenige Steuereinheiten ausgebracht sind – erfüllt werden. Vielmehr ist die IT-Architektur so flexibel, dass mit einem KRITIS-nahen-Betrieb begonnen und dieser erst später in einen komplett KRITIS-konformen Betrieb überführt wird.

Bewertung und Ausblick

Die Vorteile einer solchen Architektur liegen auf der Hand. Die KRITIS-Netzwerke der Netzbetreiber und die Netzwerke eines Prozessdienstleister wie GWAdriga (mit ihren eigenen Sicherheitsanforderungen) sind klar voneinander getrennt. Die CSL-Bridge bietet zudem die Möglichkeit der Prozessabwicklung durch den Netzbetreiber, der die Lösung dann als Software-as-a-Service nutzt. Zwischen den Systemkomponenten sorgen standardisierte und „schlanke“ Schnittstellen für einen reibungslosen Datenfluss und das eigentliche CLS-Management kann komplett an einen Prozessdienstleister ausgelagert werden.

Aktuell wird die Lösung mit ausgewählten Softwareanbietern verprobt und soll – nach der Entscheidung im Rahmen einer laufenden Ausschreibung – schon 2023 in einen „Manufaktur-Betrieb“ gehen. Dabei werden sowohl die Automatisierung vieler Prozesse angegangen, als auch erste Anwendungsfälle, wie Steuern von Einzelanlagen oder Heim-Energie-Management-Systeme (HEMS) getestet. Dynamische Tarife und weitere marktdienliche Anwendungsfälle sind Gegenstand der folgenden Ausbaustufe.

Neben den GWAdriga-Gesellschaftern erhalten auch weitere Unternehmen die Möglichkeit, an diesem Pilotbetrieb teilzunehmen, um ein möglichst standardisiertes Betriebsmodell zu entwickeln. Bis Ende 2024 soll die Entwicklung so weit vorangeschritten sein, dass alle Standardprozesse weitgehend automatisiert abgewickelt werden, um eine praktikable Steuerung in der Niederspannung über die CLS-Bridge zu ermöglichen, ohne auf eine eigene Niederspannungsnetzleitstelle angewiesen zu sein. Die Vision ist es, dass bis spätestens 2030 eine effiziente Basisinfrastruktur für digitale Verteilnetze etabliert ist, inklusive der vollständigen technischen Vernetzung der verschiedenen marktdienlicher Anwendung und Endkunden.

Weitere Informationen

GWAdriga GmbH & Co. KG
Christian Unger
Kurfürstendamm 33
10719 Berlin
Tel.: +49 30 959 99 09-0
info@gwadriga.de

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