Wettbewerblicher Messstellenbetrieb: Ein Markt im Werden
Fachartikel, exklusiv für das ew-Magazin für die Energiewirtschaft: Dr. Michal Sobótka, Geschäftsführer GWAdriga GmbH & Co. KG und Dr. Andreas Lied, Vorstand Becker Büttner Held Consulting AG. Sie können den vollständigen Artikel als eine PDF-Datei unter diesem Link herunterladen.
Für den Einstieg in den wettbewerblichen Messstellenbetrieb (wMSB) gibt es eine Reihe von Motiven. Kundenbindung sowie die Vermarktung neuer Produkte oder Mehrwertdienstleistungen – darunter auch branchenfremde – sind zwei wesentliche Treiber. Denn die intelligenten Messsysteme (iMSys) bieten einen sicheren und vor allem standardisierten Kommunikationskanal zum Energiekunden. Unternehmen, die sich frühzeitig für die Ausprägung der Rolle des wMSB entscheiden, können sich zudem neue Vertriebsgebiete mit wirtschaftlich besonders attraktiven Zählpunkten und damit potenziellen Neukunden sichern. Über die individuellere und flexible Gestaltung von Verträgen und Preisen ist es zudem möglich, neue Kundengruppen zu erschließen und/oder bestehende enger zu binden. […]
Weitere Gründe, sich als wMSB zu positionieren, sind neben der Notwendigkeit der Abwehr von Wettbewerbern insbesondere der Aufbau innovativer Dienstleistungsangebote. Dazu zählen Prozessbeschleunigung, Qualitätsverbesserung und Kostenoptimierung, wie sie durch die vollständige Digitalisierung und Automatisierung des gesamten Meter-to-cash Prozesses erzielt werden, etwa bei der Jahresabrechnung oder dem Mieterwechsel. Speziell die Wohnungswirtschaft kann auf diese Weise die eigene Wertschöpfung deutlich ausbauen, indem sie das lukrative Geschäft ihrer aktuellen Dienstleister einfach übernimmt. Die Positionierung als wMSB birgt also echte Chancen: für die Wohnungswirtschaft ebenso wie auch für Lieferanten. Das gilt nicht nur für den originären Energievertrieb, sondern für den Energieversorger oder das Stadtwerk in seiner Gesamtheit. […]
Eigene IT-Lösungen für wMSB fehlen noch
Für die erfolgreiche Positionierung als wMSB benötigt man Partner. Dazu gehören zunächst einmal IT-Unternehmen, die eine Plattform bieten, mit der die benötigten Prozesse möglichst vollumfänglich und automatisiert abgebildet werden. Als Anbieter stehen hier etablierte ERP-Anbieter wie Schleupen, SIV oder SAP zur Verfügung. Da der Markt zunehmend in Bewegung kommt, drängen aber auch neue Anbieter wie Bosch oder powercloud hinein. Aus Sicht der Software-Anbieter ist der wMSB-Markt derzeit jedoch noch nicht ganz unproblematisch, denn die weitere Marktentwicklung ist noch unsicher. Weder die zukünftig verbauten Mengen an Messsystemen noch der benötigte Leistungsumfang, der softwaretechnisch zu unterstützen ist, kann aktuell seriös prognostiziert werden.
Einen interessanten Ansatz zur effizienten Umsetzung der Rolle des wMSB bietet das Beistellungsmodell: Während der Lieferant (Beistellungsnehmer) sich im Endkundenvertrag zur Erbringung des Messstellenbetriebs mit intelligenter Messtechnik verpflichtet, erfolgt die operative Umsetzung des Messstellenbetriebs durch den gMSB, also in der Regel durch die Netzgesellschaft (Beisteller). Demnach tritt der Lieferant gegenüber dem Kunden und der gMSB gegenüber dem Markt jeweils als Messstellenbetreiber auf (Bild links). Vorteil des Beistellungsmodells ist demnach, dass beim Lieferanten kein kostspieliges IT-System und keine Prozesse zur Abbildung des Messstellenbetriebs aufgebaut werden müssen. Die beteiligten Gesellschaften können sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren, den Rollout vertrieblich steuern und flexible Produkte rund um das intelligente Messwesen entwickeln. […]
wMSB ist nicht gleich gMSB
Der Aufbau eines wMSB ist ohne Partner kosteneffizient nicht möglich. Insbesondere dann nicht, wenn eine überregionale oder bundesweite Positionierung angestrebt wird und/oder neue Produkte sowie Services entwickelt werden sollen. Abhängig vom vorhandenen Kompetenzprofil des Unternehmens werden Installateure, Gateway-Administratoren, Logistiker oder auch ein Call-Center für den Kundenservice benötigt. Hierbei ist folgende Frage zu klären: Sollen diese Unternehmen „Erfüllungsgehilfe“ oder Partner sein?
Beim gMSB-Geschäft stehen Kosten verbunden mit der POG-Systematik im Vordergrund. Der gMSB braucht also eher einen Erfüllungsgehilfen. Beim wMSB ist dagegen der Nutzen/Mehrwert für den Kunden DER Fokus. Dazu werden werthaltige Lösungen und innovative Produkte benötigt, um auf dieser Basis ein Angebot und den Markt insgesamt zu entwickeln. […]
Wettbewerblicher Messstellenbetrieb – Variante Beistellung. Quelle: bbh iMSB: Die Schnittstelle zum Kunden. Quelle: GWAdriga GmbH & Co. KG Über Becker Büttner Held Consulting AG:
Becker Büttner Held Consulting AG eine der führenden Kanzleien für die Energie- und Infrastrukturwirtschaft. Die Schwerpunkte liegen im Energierecht, dem Medien- und Urheberrecht, der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung, im allgemeinen Zivil- und Wirtschaftsrecht und im gesamten öffentlichen Recht.